Putin zum Dollar: „Sie schießen sich nicht nur ins Knie, sondern etwas höher!“

In Moskau findet gerade ein live übertragenes Forum zu Investitionen in Russland statt, es nennt sich „Russia is Calling“. Auf der Podiumsdiskussion wurde Putin gefragt, wie Russland sich aus dem Dollar zurückziehen will.
 
Seine Antwort: „Wir wollen uns nicht aus dem Dollar zurückziehen, der Dollar zieht sich von uns zurück. Die, die diese Maßnahmen ergreifen, schießen sich nicht bloß ins Knie, sondern etwas höher.“
 
Weiter führte er aus, dass es viele Länder gibt, die nach alternativen Abrechnungswährungen suchen. In Russland würden bereits ca. 30% des Außenhandels nicht in Dollar abgerechnet. Als Beispiel nannte er den Verkauf des modernen Luftabwehrsystems S-400 an die Türkei, den die USA zu verhindern suchen. Er sagte dazu, dass es der Türkei und Russland klar war, dass man diesen Handel nicht in Dollar abwickeln könne, weshalb andere Lösungen gefunden wurden.
 
Putin hat in der Vergangenheit schon oft darauf hingewiesen, dass sich die USA mit ihrer expansiven Sanktionspolitik langfristig selbst schaden, weil dadurch immer mehr Länder dazu gezwungen werden, nach Alternativen für den Dollar zu suchen, was die Position der USA langfristig schwächen wird.
 
Nachtrag: Einem Tag danach hat der Kreml das Protokoll der Podiumsdiskussion veröffentlicht und ich übersetze die genannte Frage und Putins komplette Antwort. Auch die folgende Frage hatte mit dem Thema zu tun, sodass ich auch diese komplett übersetze.
 
Beginn der Übersetzung:
 
Frage: Sehr geehrter Herr Präsident!
Ich vertrete die Türkei, und ich würde gerne fragen: Es ist eine Diskussion im Gange, sich vom Dollar zu entfernen, um eine stärkere Diversifizierung im internationalen Zahlungsverkehr zu erreichen, um verschiedene Außenhandelsziele zu erreichen.
 
Eines der Hindernisse auf diesem Weg sind die Regierungen selbst. Sie unterzeichnen Verträge, die die Zahlung in Dollar vorsehen, auch im bilateralen Handel, und behalten diese Währung weiterhin für das Reservemanagement bei. Russland ist keine Ausnahme. Was können Regierungen tun, um diesen Diversifizierungsprozess zu unterstützen?
 
Herzlichen Dank.
 
Putin: Wir haben nicht das Ziel, uns vom Dollar abzuwenden, der Dollar wendet sich von uns ab. (Gelächter, Applaus.) Und diejenigen, die die entsprechenden Entscheidungen treffen, schießen sich nicht nur ins Knie, sondern etwas höher. Denn eine solche Instabilität in den Abrechnungen in Dollar führt dazu, dass sehr viele Volkswirtschaften der Welt nach alternativen Reservewährungen suchen und vom Dollar unabhängige Zahlungssysteme schaffen.
 
Glauben Sie mir, es geht nicht nur um uns, sondern wir sehen, was in der Welt passiert. Sie sehen, wie die Devisenreserven von Ländern, einschließlich der engsten Verbündeten der Vereinigten Staaten, reduziert werden. Dort gehen die Vermögenswerte in Dollar gehen zurück, schauen sich die Berichte an, und sie zählen zu den größten Inhabern von Dollar-Vermögenswerten. Dies ist das Ergebnis dieser Politik der Sanktionen, einschließlich unter Verwendung des Dollars.
 
Ich denke, dass ihnen das früher oder später bewusst wird, aber noch ist die Welt mit diesen Phänomenen in der Wirtschaft konfrontiert, daher werden Alternativen zu Dollar-Abrechnungen und bei den Reserven gesucht. Wir machen es, auch viele andere Länder machen es.
 
Der Markt für bestimmte Arten von Waren ist entwickelt, beispielsweise für Bodenschätze wie Öl. Wenn jedoch die Menschen eine Lösung eines bestimmten Problems suchen, werden sie diese Probleme auch lösen. In den Ländern Eurasischen Wirtschaftsunion werden beispielsweise 70 Prozent unserer Exporte und 30 Prozent der Importe in Rubel abgewickelt.
 
Wir arbeiten jetzt mit einigen Ländern und unseren größten Partnern aus Handel und Wirtschaft zusammen, um Systeme zu schaffen, die unabhängig von SWIFT sind. Wir arbeiten daran, den Warenverkehr abzusichern.
 
Ich habe gerade vor einer halben Stunde mit dem Präsidenten der Türkei gesprochen. Wir haben über eine Reihe spezifischer Themen gesprochen, aber ich erinnere an unsere Abmachung im Bereich der militärtechnischen Zusammenarbeit bei der Lieferung der S-400 Flugabwehrsysteme. Wir verstehen, dass die Abwicklung in Dollar nicht funktionieren wird.
 
Also haben wir uns eine andere Option ausgedacht und das Geschäft wurde trotz allem abgewickelt. Und so wird es für jede Art von Waren sein, es ist nur eines der Beispiele, die in aller Munde sind. Und bei anderen Waren wird dasselbe passieren.
 
Daher nochmal, wir haben nicht das Ziel, uns vom Dollar abzuwenden, sondern wir werden dazu gezwungen. Und ich versichere Ihnen, wir lösen das. Aber das ist ein Prozess, wir wollen einfach nichts so drastisches tun, dass es uns selbst schaden würde. Aber um die Weltwirtschaft stabiler, vorhersagbarer und die Berechnungen effizienter und zuverlässiger zu machen, müssen natürlich alternative Wege gefunden werden.
 
Frage: Mein Name ist Remin Zakar, ich bin ein leitender Investmentspezialist, ich arbeite in den Vereinigten Staaten. Wir arbeiten mit globalen Märkten. Ich habe Geschichte studiert, und wenn ich an Ihr Land dachte, denke ich ständig, dass Russland natürlich eine Großmacht ist, die für die ganze Welt viel getan hat.
 
Gleichzeitig denke ich als Bürger Amerikas immer, dass wir zu wenig gegenseitiges Verständnis haben und auch die Welt nicht genug davon versteht. Ich habe dieses Geschenk von VTB Capital erhalten, im Text geht es um Ihr Treffen mit Mr. Trump in Helsinki. Es wurde in den Vereinigten Staaten von Amerika gedruckt, und es enthält Rechtschreibfehler im Russischen.
 
Frage an Sie: Was würden Sie den Führern meines Landes sagen, um ein besseres gegenseitiges Verständnis zu erreichen, um die Geschichte Russlands, Ihre Standpunkte, besser zu verstehen, um die Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern in der Zukunft zu verbessern?
 
Putin: Als Historiker wissen Sie, dass Sie, um die Geschichte zu verstehen, Sie sie lernen und einfach nur lesen müssen. Hieran ist nichts kompliziert, und die Motive der Partner, mit denen Sie zusammenarbeiten, werden dann wahrscheinlich klar verständlich sein.
 
Die Geschichte zu kennen ist eine sehr nützliche Sache und Geschichte ist generell eine sehr interessante Wissenschaft. Wir alle kennen diese Parolen: Um die Zukunft zu verstehen, muss man wissen, was in Vergangenheit passiert ist. Wissen Sie, heute fällt es mir schwer, Ratschläge zu erteilen, und es ist in der Tat eine undankbare Aufgabe, jemanden hier zu beraten.
 
Sie sagten, Russland sei eine Großmacht. Amerika ist auch eine Großmacht, mehr als 300 Millionen Menschen, die größte Volkswirtschaft der Welt. Die einzige universelle Reservewährung der Welt ist der Dollar. Das sind riesige Vorteile. Die Vereinigten Staaten geben 700 Milliarden Dollar für die Verteidigung aus.
 
Wir geben dafür 46 Milliarden aus und Amerika 700 Milliarden. Dies ist mehr als die gesamten Verteidigungsausgaben aller Länder der Welt zusammen. Natürlich ist dies ein großartiges Land. Wir behandeln das so. Es ist notwendig, einander respektvoll zu behandeln und dies in konkreten Fällen auch mit Taten zu zeigen.
 
Wir haben gerade über verschiedene Arten von Einschränkungen gesprochen, unter anderem bei den Abrechnungen in Dollar. Oder verschiedene Arten von Sanktionen oder Zöllen, die gegen bestimmte Länder, beispielsweise China, verhängt werden.
 
Nach Schätzungen der Welthandelsorganisation haben die kürzlich gegen G-20-Länder eingeführten gegenseitigen Handelsbeschränkungen zu einer Verringerung des Welthandels um fast 500 Mrd. USD geführt. Kann daran etwa jemand interessiert sein? Einschließlich einer so großen Wirtschaft wie der US-Wirtschaft?
 
Dies schafft für uns nun bestimmte Zeitfenster. Zum Beispiel werden wir nun Sojabohnen nach China liefern. Die Vereinigten Staaten lieferten riesige Mengen, und jetzt werden wir sie liefern. Wir haben uns mit den chinesischen Freunden darauf geeinigt, dass wir jetzt Geflügel und weitere landwirtschaftliche Produkte liefern werden.
 
Tatsächlich geben die Amerikaner freiwillig diesen riesigen Markt auf. Warum? Es scheint mir, dass man ein positives Ergebnis für sich selbst erzielen muss, anstatt zu versuchen, andere zu schädigen. Man muss gemeinsame Tätigkeitsbereiche finden, um am Ende effektiver zusammenarbeiten zu können.
 
Und jeder würde davon profitieren. Aber durch einseitige und politisch motivierte und aus Sicht des internationalen Handelsrechts illegale und schädliche Maßnahmen wird jeder nur verlieren.
 
Welche Ratschläge kann ich hier geben? Beenden Sie diese Politik und suchen Sie nach Gemeinsamkeiten. Wir sind bereit dazu, wir wollen das, ich habe oft darüber gesprochen. Wenn wir mit dem Präsidenten der Vereinigten Staaten in Argentinien sprechen können, hoffe ich, dass wir auch darüber reden werden. Wie ich das sehe, habe ich das Gefühl, dass er selbst gerne darüber sprechen würde. Wir haben in Paris zusammen zu Mittag gegessen, uns gegenüber gesessen und ungefähr eine Stunde miteinander und mit anderen Kollegen gesprochen, die in der Nähe saßen.
 
Nach meinem Verständnis ist Präsident Trump dazu grundsätzlich positiv eingestellt. Es ist notwendig, diese Anknüpfungspunkte zu finden, über die ich gesprochen habe, aber dies hängt jedoch nicht von mir ab, sondern von der US-Administration, um einen allgemeinen Konsens innerhalb der Vereinigten Staaten selbst zu finden, der die gesamte amerikanische Elite für eine solche Arbeit mit ihren Partnern gewinnen würde.
 
Ende der Übersetzung
 
Wenn es Sie interessiert, was Putin selbst zu den Krisen der internationalen Politik sagt, sollten Sie sich mein Buch einmal ansehen, in dem ich Putin selbst mit langen Zitaten zu den aktuellen Fragen zu Wort kommen lasse. Dies Buch war aus meiner Sicht notwendig, weil in den westlichen Medien zwar viel über Putin berichtet wird, aber er selbst nie zu Wort kommt. Und wenn doch, werden seine Aussagen so aus dem Zusammenhang gerissen, dass sie einen völlig anderen Sinn bekommen.
Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

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